Geschichte Nr. 49

Der arbeitsmüde Sessel


Es war einmal ein Polstersessel, der fühlte sich von den Menschen missbraucht: "Ihr unterdrückt mich," stöhnte er, "ihr nützt meine Nachgiebigkeit aus. Weil ich weich bin, staucht ihr mich nach Belieben zusammen. Ich halte das nicht mehr aus."

Nun war der Sessel aber so gebaut, dass er die Verformungen seiner Sitzfläche und seiner Lehnen sehr gut vertragen konnte. Deshalb kümmerte sich keiner um sein leises Wimmern, man hörte es nicht einmal.

Eines Tages aber ächzte der Sessel so herzzerreißend laut, dass der Familienvater, der ihn hauptsächlich benutzte, aufschrak: "Was ist das ?" fragte er verwundert, "kannst du nicht mehr, oder willst du nicht mehr ? Ich glaube, wir müssen dich zum Polsterer bringen, oder ist gar dein Holzgestell kaputt ? Dann musst du zum Schreiner. Aber so alt bist du doch noch gar nicht."

Sicherheitshalber stellte er den Polstersessel zur Seite, so dass ihn niemand benutzen konnte. Da erholte sich dieser, wölbte seine Rundungen und strotzte vor Gesundheit. Und doch war er sehr unzufrieden, ja sogar unglücklicher als zuvor.

"Was nützt mir meine Schönheit," seufzte er nun, "da ich völlig erkaltet bin. Wenn sich doch nur jemand auf mich setzte, wenigstens ein Kind, um mich zu erwärmen. Ach, nicht einmal ein Hund oder eine Katze lässt sich auf mir nieder. Soll ich denn erfrieren ?"

"Ich weiß gar nicht, weshalb du den Sessel ausrangiert hast," sagte die Hausfrau zu ihrem Mann, der ist doch ganz in Ordnung, sieht aus wie neu." Sie setzte sich darauf. Und da der Sessel sich hütete, auch nur den geringsten Klagelaut von sich zu geben, probierte auch der Ehemann ihn noch einmal aus. "Ja wirklich," stellte er fest, "da muss ich mich wohl vertan haben. Umso besser, nehmen wir ihn wieder in Betrieb. Aber, wenn du schon so gut darin sitzen kannst, dann nimm du ihn. Wir tauschen. Schließlich bin ich schwerer als du, da ist es besser, wenn ich mal deinen Sessel nehme, damit beide gleichmäßig abgenutzt werden."

Nun stöhnte der Polstersessel noch einmal auf, diesmal aber vor Erleichterung: "Lieber unter gelegentlichem Druck arbeiten als unbeachtet in der Ecke stehen und auskühlen," murmelte er vor sich hin und nahm seine Arbeit froh wieder auf.